Ein Behindertentestament ist nicht sittenwidrig

Das OLG Hamm hat eine interessante Entscheidung getroffen. Es erhöht damit die Rechtssicherheit bei sog. Behindertentestamenten. Mit einem Behindertentestament sorgt der Erblasser dafür, dass seinem behinderten Kind der ihm zugedachte Teil des Nachlasses möglichst direkt zugute kommt, ohne dass ein Sozialleistungsträger gleich die Finger danach ausstreckt. 

 

Immer wieder in der Diskussion ist die Frage, ob ein solches Behindertentestament „sittenwidrig“ und damit unwirksam ist. Denn es wird dem Sozialleistungsträger der Zugriff auf das ererbte Vermögen entzogen

In dem Fall, der vom OLG Hamm entschieden wurde, war es so, dass der Erbteil des behinderten Sohnes immerhin einen Wert von 960.000 EUR hatte. Der volljährige Sohn lebt in einem Behindertenwohnheim; während der Jahre von 2002 bis 2014 hatte er vom Sozialleistungsträger bereits Leistungen in Höhe von insgesamt rund 106.000 EUR erhalten. Nach dem Tod beider Elternteile machte der Sozialleistungsträger auf sich übergeleitete Pflichtteilsansprüche geltend und hielt das Testament für sittenwidrig.

 

Das OLG Hamm (Urteil vom 27.10.2016, I-10 U 13/16) bestätigte nun, dass dies auch bei einem großen Nachlassvermögen nicht der Fall ist. Die Eltern handelten schlicht aus Sorge um ihr behindertes Kind. Daher gebührt der letztwilligen Verfügung aufgrund ihrer über den Tod hinausgehenden elterlichen Fürsorge für ihr Kind die sittliche Anerkennung.

 

Das Gericht merkte schließlich noch an, dass der Sohn seinen Pflichtteilsanspruch hätte problemlos erhalten können, wenn er ausgeschlagen hätte. Dass aber der für ihn bestellte Ergänzungspfleger den Erbteil gerade nicht ausgeschlagen hat, sei nicht zu beanstanden. Denn es gäbe keine rechtliche Verpflichtung, ein Erbe zu Gunsten eines Sozialhilfeträgers auszuschlagen.

 

Heiko Müller

Rechtsanwalt und Notar