Grundsätzlich ist ein Pflichtteil nur dann zu versteuern, wenn der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird (§ 3 I Nr. 1 ErbStG).
Beispiel: Ein Elternteil stirbt. Im Testament hat es den Ehegatten, nicht aber das Kind, zum Alleinerben eingesetzt. Das Kind hat daher einen Anspruch auf seinen Pflichtteil. Macht das Kind den Pflichtteil nicht geltend, muss es also insoweit auch keine Erbschaftssteuer zahlen.
Das klingt nachvollziehbar.
Wie ist aber die Situation, wenn in dem Beispiel ein wenig später auch der Pflichtteilsberechtigte (also das Kind) stirbt, ohne vorher den Pflichtteil verlangt zu haben?
Man könnte meinen, dass dann nichts anderes gilt - also hinsichtlich des nicht geltend gemachten Pflichtteils auch keine Erbschaftssteuer anfallen kann. Der Bundesfinanzhof sieht dies aber anders. Danach hat in dem Beispiel der Erbe dieses verstorbenen Kindes (z.B. dessen Ehegatte) auch hinsichtlich des nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs eine Erbschaftssteuer zu zahlen.
Die Begründung? Nach § 3 I Nr. 1 Alt. 1 ErbStG unterliegt der Erbschaftssteuer der „Erwerb durch Erbanfall“. Zum Erwerb gehört auch ein etwaiger Pflichtteilsanspruch, den der Verstorbene zuvor erlangt hatte. Bei einem so geerbten Pflichtteilsanspruch ist die vorherige Geltendmachung für die Besteuerung nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 07.12.2016, II R 21/14).