Reingelegt beim Immobilienkauf? Geld zurück?

Was wären Ihre Gedanken, wenn Sie erfahren, dass das von Ihnen frisch gekaufte Haus einen Ihnen bisher nicht bekannten „Makel“ hat: 

 

In dem Haus hatte ein grausames Verbrechen stattgefunden!

 

Ein solcher Fall hat kürzlich die Gerichte beschäftigt.

 

VIDEO

Was war passiert?

Im Jahr 2018 wurde ein Wohnhaus zur Eigennutzung gekauft. Knapp ein Jahr später erfuhr die Käuferin, dass sich im Jahr 1998 ein Doppelmord im Haus ereignet hat. Ein Opfer war ein Kind.

 

Die Käuferin war schockiert. Sie hätte das Haus niemals gekauft, wenn sie davon vorher gewusst hätte.

 

Das Besondere an dem Fall ist, dass die Verkäuferin – anders als die Käuferin – von dem Verbrechen wusste. Die Verkäuferin hatte dies damals selbst erst nach ihrem Kauf erfahren, sich aber nichts daraus gemacht und das Haus viele Jahre mit ihrem Ehemann bewohnt.

 

Die Käuferin jedenfalls wollte das Haus nicht länger behalten und forderte von der Verkäuferin die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Da sie sich von der Verkäuferin getäuscht fühlte, erklärte sie die Anfechtung des Vertrages.

 

Die Sache landete vor Gericht.

 

Wie entschied das Gericht?

Dieses hat die Klage der Käuferin abgewiesen. Die Käuferin bekommt ihr Geld nicht zurück.

 

Warum?

 

1. Rückabwicklung wegen eines Sachmangels des Hauses?

Ob das im Haus verübte Verbrechen einen Mangel des Hauses darstellt, konnte dahinstehen. Denn der notarielle Kaufvertrag enthielt einen – bei gebrauchten Immobilien üblichen – Ausschluss der Sachmängelhaftung.

 

Die Käuferin konnte daher vom Kaufvertrag nicht zurücktreten.

 

2. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung?

Das Gericht hat sowohl eine Täuschung durch die Verkäuferin verneint als auch deren Arglist.

 

Eine Täuschung durch das Nichthinweisen auf bestimmte Umstände ist nur dann gegeben, wenn ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht bestand. Grundsätzlich ist es jedoch Aufgabe des Käufers ist, sich über den Kaufgegenstand zu informieren. Hier griff das Gericht den langen Zeitabstand zwischen dem zweifachen Mord (1998) und dem Vertragsschluss (2018) auf. Mit zunehmenden Zeitablauf, so das Gericht, werde die Bedeutung des damaligen Verbrechens für einen Kaufvertrag geringer. Eine Pflicht zur ungefragten Aufklärung könne somit nach 20 Jahren nicht mehr angenommen werden.

 

Ein arglistiges Handeln der Verkäuferin wäre dann zu bejahen gewesen, wenn sie damit gerechnet oder billigend in Kauf genommen hat, dass die Käuferin den Umstand nicht kennt und bei Kenntnis den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte. Da die Verkäuferin die Immobilie aber über ein Jahrzehnt selbst bewohnt hatte, habe sie - so das Gericht - damit zum Ausdruck gebracht, dem verübten Verbrechen mit Blick auf ein Bewohnen des Hauses keine Bedeutung beigemessen zu haben, also gerade nicht billigend in Kauf genommen, dass die Käuferin bei Kenntnis den Vertrag so nicht geschlossen hätte. 

 

Das Gegenteil hätte die Käuferin nachweisen müssen, was ihr nicht gelungen ist.

 

Berufung gegen das Urteil?

Zwar hatte die Käuferin noch Berufung gegen das Urteil eingelegt, diese jedoch nach einem Hinweis des OLG Bamberg – das offenbar die Rechtsauffassung des Landgerichts teilte – zurückgenommen.

 

Fazit

Informieren Sie sich gründlich, bevor Sie eine Immobilie kaufen.

 

Sollte sich die Situation später anders darstellen als wie von Ihnen angenommen, wird die gesetzliche Sachmängelhaftung nicht greifen. Denn typischerweise wird diese in notariellen Kaufverträgen über gebrauchte Immobilien ausgeschlossen.

 

Es bliebe dann nur eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Im Prozess scheitert diese aber häufig an der Darlegungs- und Beweislast.

 

 

Autor: Heiko Müller

Rechtsanwalt und Notar

Quelle:

Download
LG Coburg, Urteil vom 06.10.2020, Az. 10 O 92/20, rechtskräftig
LG Coburg Urteil.pdf
Adobe Acrobat Dokument 565.2 KB